Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Stier

EuGH: Vorsteuerabzug trotz fehlerhafter Angaben in der Rechnung möglich

Hintergrund: Unternehmer dürfen die ihnen in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer als Vorsteuer nur dann abziehen, wenn ihnen eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Diese muss u. a. den Zeitpunkt der Lieferung oder der sonstigen Leistung (Dienstleistung) enthalten. Wird diese Angabe erst in einer berichtigten Rechnung nachgeholt, kann die Vorsteuer nach der Auffassung der Finanzverwaltung erst in dem Jahr geltend gemacht werden, in dem die berichtigte Rechnung erstellt worden ist und dem Unternehmer vorliegt.

Beispiel: U erhält im Jahr 2009 eine Rechnung von A, in der der Zeitpunkt der Leistung fehlt. A berichtigt im Jahr 2010 seine Rechnung, indem er das Datum der Leistungserbringung hinzufügt. U kann somit erst im Jahr 2010 die Vorsteuer geltend machen.

Streitfall: In dem vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschiedenen Fall ging es um einen ungarischen Unternehmer, der die Vorsteuer aufgrund einer Rechnung aus dem Jahr 2007 geltend machen wollte. In der Rechnung war der Zeitpunkt der Leistung fehlerhaft angegeben. Im Jahr 2008 erhielt der Unternehmer dann eine ordnungsgemäße Rechnung, in der der Zeitpunkt der Leistung zutreffend angegeben war. Die Rechnungsnummer in der berichtigten Rechnung war allerdings nicht fortlaufend nummeriert. Das ungarische Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug: Die Rechnung aus 2007 enthalte einen fehlerhaften Leistungszeitpunkt, und die Rechnung aus 2008 sei nicht fortlaufend nummeriert gewesen.

Entscheidung: Der EuGH gab dem ungarischen Unternehmer recht. Zwar ist eine Rechnung nach europäischem Recht nur ordnungsgemäß, wenn der Tag, an dem die Dienstleistung abgeschlossen wurde, in der Rechnung angegeben wird. Es genügt aber für den Vorsteuerabzug, dass die fehlerhafte Rechnung berichtigt wird und der zutreffende Leistungszeitpunkt angegeben wird. Es ist nicht erforderlich, dass die berichtigte Rechnung eine fortlaufende Nummer des Berichtigungsjahrs aufweist.

Folge: Der Vorsteuerabzug ist möglich, wenn die berichtigte Rechnung dem Finanzamt vor dessen endgültiger Entscheidung vorgelegt werden kann. Der EuGH äußert sich zwar nicht ausdrücklich zum Jahr, in dem der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden kann; er geht aber wohl von einer Rückwirkung der berichtigten Rechnung aus. Das heißt, die Vorsteuer kann im Streitfall bereits im Jahr 2007 abgezogen werden.

Hinweis: Die Entscheidung des EuGH gilt wohl auch für das deutsche Umsatzsteuerrecht und widerspricht der hiesigen Verwaltungsauffassung, die den Vorsteuerabzug erst im Jahr der berichtigten Rechnung zulässt. Es muss abgewartet werden, ob die deutsche Finanzverwaltung das Urteil des EuGH umsetzt.

(Veröffentlichung: 10/10)
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Volkmar Stier
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