Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Stier

Firmenwagen: „Regelmäßige Arbeitsstätte“ – es kann nur eine geben

Hintergrund: „Pendlerpauschale” oder 30 Cent pro Fahrtkilometer? Reisekosten oder doppelte Haushaltsführung? Anspruch auf Verpflegungspauschalen? Und: Zuschlag zum geldwerten Vorteil bei Nutzung eines Firmenwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte? Gemeinsam ist diesen Fragen, dass meist das Vorliegen einer „regelmäßigen Arbeitsstätte“ ihre Beantwortung beeinflusst.

In mehreren Grundsatzentscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt seine Ansicht zu diesem Begriff geändert und das steuerliche Reisekostenrecht erheblich vereinfacht:

Streitfall 1: Ein GmbH-Geschäftsführer wohnte in H. in einer von seiner Lebensgefährtin angemieteten Wohnung. Die GmbH hatte in diesem Wohnhaus zudem einen Keller von der Lebensgefährtin des Geschäftsführers angemietet und dort ihre EDV-Anlage untergebracht. Der Sitz der GmbH befand sich in D. Der Geschäftsführer nutzte einen Firmenwagen der GmbH, den er auch für Privatfahrten verwenden durfte und behandelte die Fahrten von H. nach D. nicht etwa als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern als Dienstfahrten. Er gab dabei an, dass er jeden Morgen zunächst den Kellerraum aufsuche, um dort Wartungs- und Optimierungsarbeiten vorzunehmen. Das Finanzamt sah diese Fahrten jedoch als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an und erhöhte deshalb den geldwerten Vorteil aufgrund der Privatnutzung des überlassenen Pkw. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Entscheidung zum Streitfall 1: Der BFH hob die Entscheidung des FG auf und verwies die Sache an dieses Gericht zur weiteren Aufklärung zurück. Hierbei begründeten die Bundesrichter ihre Entschei-dung wie folgt:

  • „Regelmäßige Arbeitsstätte“ ist allein der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers, d. h. der Ort, an dem er schwerpunktmäßig tätig wird (i. d. R. der Betrieb des Arbeitgebers).
  • Da es nur einen Mittelpunkt geben kann, sind mehrere „regelmäßige Arbeitsstätten“ eines Arbeit-nehmers nicht denkbar. Nur bei dieser einen „regelmäßigen Arbeitsstätte“ kann sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und so die Fahrtkosten mindern, indem er z. B. Fahrgemeinschaften bildet.
  • Arbeitet der Arbeitnehmer in mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers, muss im Einzelfall ermittelt werden, wo sich der (qualitative) Mittelpunkt der Arbeit befindet.

Das FG muss daher nun aufklären, ob es sich bei dem Keller um eine Betriebsstätte der GmbH handelte. Ist dies der Fall, muss das Gericht darüber hinaus ermitteln, ob der Arbeitsmittelpunkt in der Betriebsstätte im Kellerraum in H. lag oder aber am Sitz der GmbH in D. Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer eine Tätigkeitsstätte im zeitlichen Abstand immer wieder aufsucht, reicht für eine „regelmäßige Arbeitsstätte“ jedenfalls nicht aus. Sie muss vielmehr von zentraler Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten sein. Der erhöhte geldwerte Vorteil aufgrund der Nutzung des Pkw für Fahrten zwischen H. und D. wäre nur dann gerechtfertigt, wenn dort (am Sitz der GmbH) der berufliche Mittelpunkt, also die regelmäßige Arbeitsstätte, des Geschäftsführers war.

Streitfall 2: Eine angestellte Managerin einer Supermarkt-Kette war für 15 Filialen zuständig, die sie regelmäßig mit ihrem Firmenwagen aufsuchte. Den Pkw durfte sie auch für private Zwecke nutzen. In ihrer Steuererklärung machte sie u. a. Verpflegungspauschalen geltend. Das Finanzamt berücksichtigte jedoch nur die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.

Entscheidung zum Streitfall 2: Der BFH hob die Entscheidung des FG auf. Das FG muss jetzt vielmehr ermitteln, ob die Managerin einen Tätigkeitsmittelpunkt hatte (s. o. Streitfall 1). Fehlt ein Tätigkeitsmittelpunkt, übt die Managerin insgesamt eine Auswärtstätigkeit aus, und dann könnte sie die gesetzlichen Verpflegungspauschalen geltend machen. Anders sieht es jedoch bei den Fahrtkosten aus. Da sie mit dem Firmenwagen fährt, könnte sie diese nicht absetzen.

Streitfall 3: Ein angestellter Außendienstmitarbeiter, der seinen Firmenwagen auch privat nutzen durfte, musste jeden Arbeitstag zu Kontrollzwecken und für etwaige Absprachen zunächst in den Betrieb seines Arbeitgebers fahren. Erst anschließend fuhr er zu den Kunden; im Betrieb stand kein eingerichteter Arbeitsplatz für ihn zur Verfügung. Die Fahrten von der Wohnung zum Betrieb wurden vom Arbeitnehmer nicht mit dem gesetzlichen Zuschlag von 0,03 % pro Entfernungskilometer versteuert. Das Finanzamt meinte jedoch, dass dies erforderlich sei.

Entscheidung zum Streitfall 3: Der BFH gab dem Arbeitnehmer recht: Eine „regelmäßige Arbeitsstätte“ besteht demnach nicht, wenn der Arbeitnehmer dorthin allein zu Kontrollzwecken fährt und keinen eingerichteten Arbeitsplatz hat. Die eigentliche berufliche Tätigkeit wird dann außerhalb des Betriebs ausgeübt. Da der Außendienstmitarbeiter keine „Arbeitsstätte“ in diesem Sinne hat, musste er folglich keinen geldwerten Vorteil aufgrund der Nutzung des Firmenwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte versteuern. Im Gegenzug kann er aber auch keine Entfernungspauschale geltend machen; auch ein Abzug der tatsächlich entstandenen Fahrtkosten ist nicht möglich.

Fazit: Der BFH ändert damit seine Rechtsprechung und erkennt bei Arbeitnehmern nur noch eine einzige „regelmäßige Arbeitsstätte“ an. „Nicht mehr als eine, u. U. auch keine regelmäßige Arbeitsstätte“: Diese Kernaussage der neuen BFH-Rechtsprechung bringt eine erhebliche Vereinfachung des steuerlichen Reisekostenrechts mit sich. Komplizierte Berechnungen des geldwerten Vorteils wegen mehrerer „regelmäßiger Arbeitsstätten“, das „Aufsplitten“ der Entfernungspauschale beim Aufsuchen mehrerer Tätigkeitsstätten an einem Arbeitstag und die entsprechend komplizierte Ermittlung von Verpflegungsmehraufwendungen sind künftig entbehrlich.

(Veröffentlichung: 10/11)
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Volkmar Stier
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