Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Stier

Kosten für Erststudium/Erstausbildung sind vorweggenommene Werbungskosten

Hintergrund: Laut Gesetz sind Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium nur dann als Werbungskosten komplett abziehbar, wenn die Ausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Im Übrigen können Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung des Steuerzahlers (bei Ehepaaren pro Person) nur in Höhe von bis zu 4.000 € jährlich als Sonderausgaben abgezogen werden. In zwei Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun den Abzug von Ausbildungs- bzw. Studienkosten außerhalb eines Arbeitsverhältnisses zugunsten des Steuerzahlers bejaht.

Streitfälle: In dem einen Fall begann der Kläger nach dem Abitur 2004 bei einer Fluggesellschaft eine Ausbildung zum Piloten. Hierfür zahlte er in 2004 fast 28.000 € an Ausbildungskosten. Nach Abschluss der Ausbildung 2006 wurde er von der Fluggesellschaft als Pilot eingestellt. Er beantragte beim Finanzamt die Feststellung eines Verlustvortrags zum 31. 12. 2004 in Höhe von fast 28.000 € mit der Begründung, die Ausbildungskosten seien als sog. vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen.

In dem anderen Fall absolvierte eine Frau 2004 ihr Abitur. Im Februar 2005 begann sie ein Medizinstudium in Ungarn, nachdem sie in Deutschland keinen Studienplatz erhalten hatte. Sie machte für 2004 und 2005 Aufwendungen in Höhe von ca. 11.000 € und 12.000 € geltend. Diese Beträge setzten sich aus Kosten für die Rechtsbe-ratung im Zusammenhang mit der Studienplatzvergabe, Studiengebühren und Reisekosten zusammen. Ihren Antrag, diese Beträge als Verlustvortrag festzustellen, lehnte das Finanzamt ab.

Entscheidung: Der BFH gab beiden Studenten im Grundsatz recht und verwies die Sachen jeweils an die Finanzgerichte zur weiteren Aufklärung zurück, weil die Studienkosten im Einzelnen noch geprüft werden müssen.

Hinweise: Bereits vor zwei Jahren hatte der BFH entschieden, dass die Kosten eines Studiums als Werbungskosten abziehbar sind, wenn dem Studium eine Berufsausbildung vorausging (sog. unechtes Erststudium). Möglicherweise ist es daher nur eine Frage der Zeit, bis der Gesetzgeber auf die aktuellen Urteile mit einer Geset-zesänderung reagiert.

Bis dahin können Ausbildungs- und Studienkosten allerdings unter den nachfolgenden Voraussetzungen abge-setzt werden:

1. Es handelt sich um ein Erststudium oder um eine Erstausbildung, die nach Abschluss der Schulausbildung auf-genommen werden.
2. Ausbildung bzw. Studium stehen in einem hinreichend konkreten Zusammenhang mit der späteren beruflichen Tätigkeit des Steuerzahlers, d. h. es wird Berufswissen und nicht lediglich allgemeines Wissen vermittelt.
3. Der Auszubildende bzw. Student hat die Kosten selbst getragen. Es dürfte daher ratsam sein, dass die Ausbildungskosten selbst gezahlt werden und nicht von den Eltern.

Abziehbar sind z. B. Studiengebühren, Fachbücher, sonstige Arbeitsmittel (Computer, Drucker etc.). Sind diese Aufwendungen höher als das laufende Einkommen, sollte der Auszubildende bzw. Student eine Steuererklärung abgeben, in der er die Aufwendungen für die Ausbildung geltend macht und die Feststellung eines sog. Verlustvortrags beantragt. Es ergibt sich dann eine Einkommensteuer von 0 €, und der die Einkünfte übersteigende Betrag der Ausbildungskosten wird als Verlust festgestellt. Der festgestellte Verlust kann dann mit späteren Einkünften aus dem erlernten Beruf verrechnet werden, sodass ein Teil der späteren Einkünfte faktisch nicht versteuert werden muss.

Da es sich regelmäßig um Fälle der sog. Antragsveranlagung handelt, kann bis zum 31. 12. 2011 noch eine Steuererklärung für 2007 abgegeben und entsprechende Kosten geltend gemacht werden. Etwas anderes gilt allerdings, wenn bereits eine Steuererklärung für das betreffende Jahr eingereicht wurde. Dann sind die Möglichkeiten eingeschränkt. Denn die Aufwendungen können in diesen Fällen nur dann nachträglich geltend gemacht werden, wenn der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist oder einen Vorläufigkeitsvermerk zu den Aufwendungen eines Erststudiums enthält.

(Veröffentlichung: 10/11)
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Volkmar Stier
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